Across the Continent

Insekten

Eine der ökologischen Hiobsbotschaften der letzten Jahre ist die vom Verschwinden der Insekten. Schätzungen zufolge soll die Biomasse der fliegenden Insekten in den letzten 30 Jahren um 70-80% abgenommen haben. Ich bin nun in dem Alter in dem ich bewusst auf einige Jahrzente Erinnerungen zurückgreifen kann (aber kein bisschen weise davon). Jedenfalls kann mich noch gut entsinnen, dass wir als Kinder immer durch die dichte Hainbuchenhecke geklettert sind, die unseren Garten einfriedet. In der Hecke hatten immer mindestens drei dicke Kreuzspinnen ihre Netze gespannt, vor denen waren wir auf der Hut, wenn wir uns durch die Zweige nach draussen drängten. In den letzten Jahren, wenn ich zu Besuch war, gab es keine Spinnennetze mehr. Mit den Insekten verschwinden die Vögel. Auch hier erinnere ich mich an laute Konzerte ab vier, fünf Uhr Morgens. Im letzten Sommer in Weinheim vernahm ich nur vereinzelte Stimmen.

Ein weiterer, ziemlich überzeugender Indikator für das Verschwinden der fliegenden Insekten ist, dass Autofahrer nach sommerlichen Fahrten kaum noch die Windschutzscheibe von toten Insekten reinigen müssen. Ich erinnere mich auch hier, dass die Insektenschmiere auf der Windschutzscheibe eine ziemliche Schweinerei war und man besonders nach Nachtfahrten an der Tankstelle zum Scheibenreiniger greifen und ganz schön rubbeln musste. Aber vielleicht sind moderne Autos einfach windschnittiger, so dass die Motten und Falter elegant im Luftstrom um das Auto gezogen werden ohne aufzuprallen?

Leider ist das keine zutreffende Erklärung. Unser aerodynamischer Golf Kombi (Baujahr 2013) hat auf der Kontinentdurchquerung in der Prärie ziemlich viele Insekten aufgesammelt. Das lässt den erfreulichen Schluss zu, dass in den Hochebenen von North Dakota und Montana die Welt noch in Ordnung ist. Hier betreibt man extensive Weidewirtschaft. Auf der Durchfahrt sieht man einzelnes Rindvieh verloren in den braunen Hügeln stehen. Die wenigen Ranches besitzen riesige Ländereien auf denen die Kühe frei umherziehen und weiden. Überall blühen Blumen. Schmetterlinge gaukeln durch die Luft, oft in Pärchen. Wenn sie dann gemeinsam am Kühlergrill zerschellen hat das etwas tröstliches, wenigstens bleibt kein trauernder Partner zurück.

Die Ironie dabei ist, dass genau in dieser Gegend eifrig Bergbau und Fracking zur Öl- und Gasgewinnung betrieben wird. Also alles vergiftet mit Chemikalien? So einfach ist es offenbar nicht. Ich fürchte, die mit Unkrautvernichtungsmitteln sauber gespritzen Felder und die bis auf den letzten Quadratmeter vom Menschen gestaltete Stadt- und Agrarlandschaft ist für die Artenvielfalt viel tödlicher als gelegentliche giftige Schlammlachen aber mit viel Platz drumherum.

Der Deutschlandfunk hatte passenderweise eine Sendung zum Thema im Programm (hier ein Link zum Transskript.).

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